Es ist der neueste Trend im Handel und E-Commerce: Statt Produkte zu kaufen, leihen Konsumenten diese für einen bestimmten Zeitraum aus. Nachdem diese Woche auch Tchibo mit einem entsprechenden Modell (Details dazu weiter unten) an den Markt ging, werden weitere Nachahmer nicht lange auf sich warten lassen.
Die Grenze zwischen bewusstem Verzicht aus intrinsischer Überzeugung und Verzicht aufgrund fehlender Mittel ist für den Außenstehenden oft nicht erkennbar. Sicherlich gibt es Millennials, die durch unsichere und von Veränderung geprägten Verhältnisse auf Besitz verzichten. Andererseits ist ein Überdruss an immer kurzlebigerem Besitz, der zu einer Wegwerfgesellschaft geführt hat, nachvollziehbar. Ob nun Besitzlosigkeit zur Tugend verklärt wird, mit der man sich vielleicht auch selbst täuschen kann, oder ob dies aus Überzeugung geschieht, bleibt jedem selbst überlassen. Wessen Geschäftsmodell allerdings auf Besitz angewiesen ist, der sollte sich Gedanken zu dieser Entwicklung machen.
Es gibt seit einigen Jahren einen gewissen Trend zum Minimalismus. Im Internet tausch man sich darüber aus, wie man Dinge aussortiert und sich auf das Nötigste beschränkt. Selbst auferlegt, werden Gegenstände im Besitz gezählt und bei Neuzugängen trennt man sich von einem Alten. „Weniger ist mehr“ – als Mantra für eine Besinnung auf das Wesentliche. Wer als minderbemittelter Millenial sich manche Dinge schlicht nicht leisten kann, dem kommt dieser Lifestyletrend vielleicht ganz Recht. Jedenfalls lässt sich damit das Nichthaben – trendy – als gewollt kaschieren.
Wie kann man als Händler mit dem Trend umgehen?
Sicher – das ein oder andere Angebot gab es schon vor der Entwicklung der letzten Jahre. So bieten Baumärkte wie Obi bereits seit längerem einen Mietservice für Werkzeuge aller Art an. Häufig handelt es sich dabei um Geräte, die nur selten benötigt werden und deren Anschaffung dadurch selten gerechtfertigt ist. Letztlich bezahlt man für die Löcher in der Wand und nicht für den Besitz des Bohrers, dessen Besitz im letzten Jahrhundert möglicherweise sogar als Statussymbol geeignet war.
Bei anderen Dingen ist es absehbar, wie der Besitz mit fortschreitender Zeit obsolet wird. In diese Kerbe schlägt das 2014 gegründete Start-Up Kilenda aus Magdeburg, welches sich auf die Vermietung von Babyausstattung und Kinderbekleidung spezialisiert hat. Gerade hier werde bestimmte Artikel nur wenige Monate gebraucht und der Kunde bezahlt im Prinzip solange dafür wie er etwas davon hat. Diese Idee und deren Umsetzung hat die Magdeburger zu einer Kooperation mit Tchibo verholfen. Tchibo hat angekündigt, ab 23. Januar 2018 in Kooperation mit Kilenda den Service Tchibo Share an den Markt zu bringen, der nachhaltig produzierte Baby- und Kinderkleidung aus Bio-Baumwolle zur Miete anbietet.
Ebenfalls im Bereich Bekleidung richtet Kleiderei seinen Service an junge Frauen, die per Kleiderflatrate jeden Monat ein paar neue Teile für einen Zeitraum von vier Wochen bekommen. In der Startup-Show „Die Höhle der Löwen“ wurde das Unternehmen von den Investoren verschmäht, doch mit Hilfe einer erfolgreichen Crowdfunding Kampagne auf Startnext wurde es ebenfalls 2014 gegründet. Hier liegt der Focus auf Vielfalt gepaart mit nachhaltigem Konsum. So kann man selbst in der abgelegenen Provinz die innovativen Kreationen junger Designer jeden Monat aufs Neue bekommen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, selbst wenn man ein Teil nur einmal und nie wieder trägt.
Im Bereich Unterhaltungselektronik sieht es ganz ähnlich aus. Auch hier gibt große und kleine Player, die in dieses Marktsegment drängen. Otto Now feierte kürzlich sein einjähriges Bestehen und bietet seinen Kunden von der Smart-Home-Ausstattung über VR-Brillen bis hin zu Drohnen alles, was das Herz von Technikbegeisterten höherschlagen lässt. Media Markt kooperiert mit dem Berliner Start-Up Grover, welches das Mietgeschäft für das Unternehmen abwickelt und 2015 gegründet wurde. Beworben wird es von Media Markt als „Mietwochen“. Ein geschickter Schachzug, denn gerade Technikverliebte tendieren dazu, immer das Neueste haben zu wollen und was bietet sich mehr an, als einfach auf Zeit zu mieten?
Fazit
Das Kölner Institut für Handelsforschung und die Unternehmensberatung KPMG haben herausgefunden: „Bei Gebrauchsgütern geht es den Konsumenten immer stärker um Nutzen und Komfort statt um klassischen Besitz.“ Darauf müssen sich Hersteller und Händler einstellen, wenn sie sich gegen die Konkurrenz behaupten wollen. Die Motivationen für kurzzeitiges Mieten im Vorzug zum Besitz können recht unterschiedlich sein. Fest steht, es gibt eine Bewegung am Markt, die sowohl auf Konsumenten- als auch auf Unternehmensseite Chancen bietet. Es gilt diese zu nutzen.