Wer kennt das nicht – da hat man mal wieder online geshoppt und erwartet sehnsüchtig das Eintreffen der Lieferung. Natürlich kommt der Paketbote genau dann, wenn man gerade nicht zu Hause ist und bei unserer Rückkehr finden wir eine Benachrichtigung, dass wir die Lieferung am nächsten Werktag auf der Post abholen können. Gerade bei dringend benötigten Waren ein echter Frustfaktor. Aber selbst bei Waren mit niedriger Dringlichkeit, geht die Leichtigkeit und Freude am Onlineeinkauf verloren.
Auch wer das Glück hilfsbereiter Nachbarn hat, die Pakete entgegennehmen, möchte diesen Service sicher nicht überstrapazieren. Und eine Lieferung an den Arbeitsplatz bedeutet zwangsläufig, dass man das Paket auch irgendwie nach Hause transportieren muss. Insgesamt passt das also alles nicht so wirklich zu dem entspannten und stressfreien Einkaufserlebnis, mit dem Onlinehändler so gerne punkten wollen.
Eine aktuelle Studie hat jetzt gezeigt, dass deutschen Onlinehändlern jedes Jahr rund 17,5 Milliarden Euro durch negative Kundenerlebnisse bei der Paketzustellung verloren gehen. Über ein Drittel der Befragten würde öfter online einkaufen, wenn sich die Zustellung der Pakete verbessern würde.
Zusteller und Händler auf Lösungssuche
Handlungsbedarf ist also offensichtlich, um diese Servicelücke zu schließen. Ein erster Schritt kam vom Logistik-Anbieter DHL mit dem Aufbau von Packstationen, an denen man seine Sendungen zeit-unabhängig abholen kann. So bekommt man seine Pakete schneller, ist aber trotzdem nochmal extra unterwegs. Auch sind Packstationen nur dann einigermaßen attraktiv, wenn sie auf der Route liegen, die man sowieso zurücklegt, oder in erträglicher Distanz von Zuhause positioniert sind. Das ist gerade in ländlichen Gebieten eher nicht der Fall.
Die Lösung, die Amazon hierfür präsentiert, kommt aus dem Bereich Home Automation. Sie besteht aus einer Kombination von Überwachungskameras und einem „intelligenten“ Schloss und heißt Amazon Key. Gekoppelt an eine App kann der Kunde dann aus der Ferne nicht nur den Zusteller zum Liefern der Pakete hereinlassen, sondern auch Handwerker oder Reinigungskräfte. Die Technik ist zwar noch nicht ganz ausgereift, doch das Ziel ist deutlich zu erkennen.
Nun wird sich nicht unbedingt jeder mit dem Umstand wohlfühlen, einen Satz mit dem Internet verbundener Überwachungskameras in den eigenen vier Wänden zu haben. Lachten 2010 die Menschen noch über Satiriker, die im Zuge der Diskussion um Google Street View einen Schritt weiter gingen und Google Home View vorstellten, so muss man 2017 sehen, wie die Wirklichkeit die Satire überholt hat. Nicht nur, dass Innenräume von Restaurants und Geschäften bei Google zu finden sind, sondern dank Amazon Key eben auch Aufnahmen von Privaträume in der Cloud landen.
Mittlerweile wurden auch schon die ersten Sicherheitslücken zu Amazon Key bekannt und Amazon sieht sich in der Pflicht, mehr für die Sicherheit zu tun und verstärkt Überzeugungsarbeit zu leisten. Fairerweise muss erwähnt werden, dass andere Unternehmen, die ebenfalls an einem Home Automation-Aspekt arbeiten, mit vergleichbaren Problemen kämpfen.
PakSafe und PaketSafe sind zwei vergleichbare Produkte, die im Gegensatz zu Amazon Key vor der Tür halt machen und nichts mit Home Automation zu tun haben. Beide versuchen das Zustellungsproblem zu lösen, indem sie einen verschließbaren robusten Sack an oder neben der Türe anbringen. Der Zusteller platziert die Lieferung im Sack und schließt dann ab.
Allerdings stößt der Lösungsversuch an seine Grenzen, wenn man Sendungen von mehreren Zustellern am selben Tag erwartet – außer man hält pro möglichem Zusteller einen Sack parat. Auch ist das Modell natürlich anfällig für „Störfaktoren“: Wenn die Nachbarskinder einen Streich spielen und die Säcke verschließen, ist einem ebenso wenig geholfen. Alles in allem scheint dieser Lösungsansatz bei moderatem Bestellverhalten und netten Nachbarskindern aber ganz passabel.
Wie unangenehm die Zustellung auf den letzten Metern für Zusteller geworden ist, zeigt die jüngste Initiative von DPD und Hermes, für die Lieferung bis an die Tür nochmal extra Geld zu verlangen. Oder wittert man hier etwa eine Möglichkeit, an dieser Stelle nochmal Geld abzugreifen? Jedenfalls dürfte dieser Vorstoß eine zusätzliche Motivation für Amazon sein, die Ambitionen, selbst in die Zustellung einzusteigen, weiter voranzutreiben.
Fazit
Die letzten Meter zum Kunden sind oftmals die Schwierigsten für den Onlinehändler, der seinem Kunden ein möglichst entspanntes Einkaufserlebnis bieten möchte. Es gibt noch keine perfekte Lösung für das Problem, aber es wird von verschieden Seiten daran gearbeitet. Der Lösungsansatz von Amazon ist zwar der Progressivste, aber bisher nicht unbedingt der Überzeugendste.